Die Antwort von Vittorio Storaro

In dem aktuellen Buch »eins zu hundert: Die Möglichkeiten der Kameragestaltung« habe ich bei Vittorio Storaro direkt nachgefragt wie er eine bestimmte Beleuchtungssituation realisiert hat. Leider kam die Antwort für die Veröffentlichung im Buch etwas zu spät.

Lieber Herr Storaro,

im Juli 2009 werde ich ein Buch über Kamerastile und Beleuchtung veröffentlichen. Die Kameraarbeit wird anhand von Analysen großer Werke der Filmgeschichte erklärt werden. Die Arbeiten an dem Buch sind beinahe abgeschlossen, allerdings hätte ich ein paar Fragen zu Ihrem großartigen Film »Der letzte Tango in Paris«. Vielleicht könnten Sie mir mit einigen Antworten helfen. Ich würde gerne eine Frage zu einer Szene stellen. Sie spielt in dem Apartment. Brando liegt auf dem Boden und spricht über seine Kindheit. (Die vorangegangene Szene spielt in dem Garten von Marias Eltern, dessen schönes, warmes goldenes Sonnenlicht Sie mit in das Apartment brachten.) Es gab ein vierminütiges Close-up von Brando, während welchem er von einem sehr harten Single Key Light beleuchtet wurde. Manchmal warf er einige Schatten mit der Mundharmonika, manchmal bewegte sich Maria ein wenig, so dass das Licht auf seinem Gesicht sich veränderte. Ich mag diese Szene sehr, da sie so minimalistisch und inspiriert ist. Vielleicht erinnern Sie sich? Was waren Ihre Absichten mit dieser besonderen Beleuchtung? Die Situation erinnert mich an manche Gemälde von Caravaggio. Würden Sie die Beleuchtung dieser Szene mit den Arbeiten Caravaggios vergleichen? Ich bedanke mich für Ihre Kooperation und freue mich von Ihnen zu hören.

Mit den besten Grüßen, Achim Dunker

Lieber Herr Achim,

bitte entschuldigen Sie die Verzögerung meiner Antwort. Ich konnte aus unterschiedlichen Gründen meinen Computer nicht benutzen. Wahrscheinlich haben Sie ihr Buch bereits veröffentlicht. In der Szene des Films »Der letzte Tango in Paris«, die Sie beschreiben, bin ich es selbst, der die Schatten auf Marlons Gesicht wirft. Der Grund dafür ist, dass die Figur Paul in dieser Szene das erste Mal wirklich über sich selbst spricht, und ich wollte die Zuschauer Marias Präsenz durch ihren Schatten spüren lassen. Er sprach mit ihr, nicht zu sich selbst. Eine ähnliche Idee habe ich in »Apocalypse Now« umgesetzt, und zwar in der berühmten Szene, in der Kurtz (gespielt von Brando) über die »Schrecken« des Krieges spricht. Ich habe eine Buch-Trilogie veröffentlicht mit dem Titel „STORARO: MIT LICHT SCHREIBEN“ (1, Das Licht – 2, Die Farben – 3, Die Elemente), in der ich jedes philosophisch-kinematografische Konzept meiner Filme beschreibe. Es wird Sie womöglich interessieren, sich dies näher anzusehen. Sie können dies unter www.aureaweb.com tun.

Mit besten Grüßen, Vittorio Storaro

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